Mittwoch, 17. Dezember 2008

Die europäische Integration unter besonderer Reflexion der Paneuropa-Bewegung

Die gegenständliche Ausarbeitung soll sich aus übergeordneter Sichtweise entlang zweier Blöcke arrangieren. Einerseits besteht der Anspruch – eng an der verteilten Quelle - die Paneuropa Idee als erste politische Bewegung zur europäischen Integration zu bearbeiten. Da diese Institution äußerst eng mit der Personalie von Graf Richard Nikolaus von Coudenhove-Kalergi verbunden ist, wird eine biographische Bearbeitung dieser autokratischen Zentralgestalt als Einstieg angestrebt. Neben der biographischen Übersicht zur Person werden in diesem Bezugsrahmen die (ursprünglichen) Zielsetzungen der paneuropäischen Initiative dargelegt, wobei der (zeitliche) Kontext besondere Berücksichtigung findet. Primär gestützt auf die umfangreichen und substantiierten Arbeiten von Ziegenhofer-Prettenthaler (Ziegenhofer-Prettenthaler, Anita (2004). Botschafter Europas: Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien:Böhlau) werden die wesentlichen Bestrebungen vor dem zweiten Weltkrieg beleuchtet. Hierbei wird spezifischer Bezug auf die österreichische Situation, wie etwa der Stellenwert der Paneuropa-Vision, die Unterstützer (Ignaz Seipel, Karl Renner, etc.) oder der politische Zeitgeist, genommen.

Im Schatten des Nationalsozialismus und des aufziehenden Weltkrieges wurde die paneuropäische Bewegung aufgelöst und ihr geistiger Vater emigrierte über die Schweiz in die Vereinigten Staaten. Nach Rückkehr der handelnden Personen und Normalisierung der politischen Gesamtsituation konzentrierten sich die Aktivitäten Anfang der fünfziger Jahre auf die Primäraufgabe der Reorganisation der Paneuropa-Union. An dieser Stelle werden die Problemfelder der 1950er Jahre beleuchtet und die Chancen und Beiträge im Rahmen der deutsch-französischen Versöhnung beleuchtet. Insbesondere die Anlehnung der Paneuropa Bewegung - in Person von Coudenhove-Kalergi - an das Frankreich deGaulle‘s läutete eine erneute Richtungs- und Strategieänderung ein.

Ausgehend vom biografischen Querschnitt zur Paneuropa-Bewegung und der Person Coudenhove-Kalergis behandelt der zweite Hauptabschnitt meiner Ausarbeitung die gesamteuropäische Identitätsfindung. Dem zeitlichen Kontext Rechnung tragend wird hierbei aus heutiger Sicht auf die Kritikpunkte an der Paneuropa Bewegung (und Coudenhove-Kalergi) Bezug genommen. Insbesondere die (scheinbar) zeitlose Problematik der gesamteuropäischen Identität und die daran gekoppelten Schwierigkeiten rücken in den Mittelpunkt der Betrachtungen.

Der Bedeutungsumfang des Terminus Europa wird an dieser Stelle einem Kurzportrait unterstellt, indem die unterschiedlichen zeitbedingten Zustände und kollektiven Auffassungen dargelegt werden. Darin erschließt sich eine Analyse der kulturellen, geografischen, religiösen - und v.a. der ökonomischen – Dimensionen. Schon die frühen europäischen Einigungsbewegungen waren mit intensiven Vorwürfen konfrontiert, welche zwar im zeitlichen Kontext verstanden werden müssen, jedoch im Kern eine evidente zeitunmittelbare Aktualität besitzen. So waren etwa bereits die frühen europäischen Einigungsbewegungen Vorhaltungen ausgesetzt die (soziale und politische) Realität zu ignorieren. Nationalstaatliche Interessen und Interpendenzen standen und stehen exempli causa in direktem Widerspruch mit dem europäischen Einigungsgedanken. Dazu gestalten sich in meiner Ausarbeitung zwei übergeordnete und zeitungebundene Fragestellungen:
  • Wieviel Europa ist zweckmäßig und verkraftbar - Intentionen zur Struktur?
  • Wem dient das „Haus Europa“?
Der erstgenannte Punkt befasst sich mit der strukturellen Gestaltung des geeinten Europas. Wie soll sich Europa strukturell als rational anzuvisierende Form darstellen - als Bundesstaat nach Vorbild der USA, als Konföderation oder vielmehr als ein loses Staatenbündnis (Allianz). Hierzu herrschen seit den frühen Einigungsbestrebungen unterschiedliche Tendenzen vor. Kritiker weisen an dieser Stelle bei Coudenhove-Kalergi’s Paneuropa Bewegung auf die mehrmalige Veränderung der intentionierten Form hin. Während eine Fraktion (wie Coudenhove-Kalergi’s Paneuropa Bewegung) die mehrmalige Veränderung der angestrebten Form des „Hauses Europas“ als notwendige Anpassung an die jeweiligen zeitlichen Rahmenbedingungen verstanden haben wollte, argumentierten die Kritiker hingegen mit einer bloßen Anbiederung an die herrschenden Eliten und deren Standpunkte, losgelöst von sachbezogenen Kernaspekten.

An die Analyse dieser Problemfelder schließt die Fragestellung an, wem das europäische Gebilde primär nutzt und von wem es getragen werden sollte. Die Paneuropa Bewegung nahm hier etwa eine eindeutige Position ein, indem der elitäre Leitanspruch und Erziehungsauftrag als unverrückbare Grundmaxime galt. Kritische Stimmen zeigen auch hierzu ihre zeitlose Homogenität. In diesem Sinnzusammenhang bauten die Visionäre und Gestalter der europäischen Integration auf die herrschenden Eliten und nur für wenige „Denker“ stellte das Projekt Europa eine Massenbewegung dar. Das kollektiven Empfinden der Bevölkerung, dass die „europäische Gemeinschaft“ lediglich von den herrschenden elitären Kaste konstruiert wurde (um primär eine Plattform zur Durchsetzung ökonomischer Interessen zu etablieren) kann als Mitgrund der fehlenden Identifizierung erachtet werden. Naturgemäß ist der Grad der Komplexität hoch, die unterschiedlichen nationalen Interessen in Übereinstimmung zu bringen. Die europäische Gemeinschaft kann ihre Pluralität jedoch nur dann zur Entfaltung bringen, wenn es gelingt effektive Maßnahmen der kollektiven Identitätsfindung zu etablieren. Das „Projekt Europa“ als friedenserhaltendes Vehikel hat - von vielen unbemerkt - relativen Wohlstand, Sicherheit und Stabilität gebracht. Hinsichtlich der europäischen Einigung bedarf es in Zukunft aber noch einiger Veränderung, will dieses Europa nicht zunehmend als "seelenlose Hülle" wahrgenommen werden.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Arbeitsfortschritte und Ausrichtung der Gliederung

Die europäische Integration unter besonderer Reflexion der Paneuropa-Bewegung

1. Hinführung zum Thema / Einleitung

2. Die paneuropäische Vision
  • Biographischer Abriss zur Person Graf Richard Nikolaus von Coudenhove-Kalergi
    - Visionär und Utopist
  • Zielsetzungen im Kontext der Zeit
  • Gesamteuropäisches Integrationskonzept in der Zwischenkriegszeit – Das Memorandum Briands
  • Die europäische Parlamentarier-Union und die Problemfelder der 1950er Jahre
  • Chancen und Beiträge im Rahmen der Deutsch-Französischen Annäherung
3. Gesamteuropäische Identitätsfindung – eine zeitlose Illusion?!
  • Definition und Bedeutungsumfang der Begrifflichkeit Europa im Wandel der Zeit
  • Ökonomische, kulturelle, geografische und religiöse Dimensionen
  • Die nationale Souveränität in Kontradiktion zum europäischen Gedanken
  • Europa als Bundesstaat, Konföderation oder loses transnationales Bündnis?
  • Konstruktion von Eliten für Eliten unter ökonomischen Aspekten
4. Diskussion und Schlussfolgerungen

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Rezension - Conze, Vanessa: Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas, Zürich: Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt - 2004

Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit zum Thema „Europas Grenzen - Coudenhove-Kalergi, Paneuropa“ bildete das Studium und die Analyse der nachstehenden Literatur die Basis meiner Ausarbeitungen:
  • Conze, Vanessa (2004). Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas. Zürich:Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt.
  • Ziegenhofer-Prettenthaler, Anita (2004). Botschafter Europas: Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien:Böhlau.
  • Coudenvove-Kalergi, Richard Nikolaus (2006). Ausgewählte Schriften zu Europa. Wien:Neuer Wissenschaftlicher Verlag.
  • Kirchhof, Paul; Schäfer, Hermann & Tietmeyer, Hans (1993). Europa als politische Idee und als rechtliche Form. Duncker & Humblot.
  • Verschieden Ausgaben der Zeitschrift Paneuropa und zahlreiche Artikel aus Fachzeitschriften und Journalen
Hinsichtlich der Literaturrezension habe ich das Buch von Vanessa Conze gewählt, welches sich auf kritische Weise mit den Beiträgen von Coudenhove-Kalergi auseinandersetzt und als erste substantiierte wissenschaftliche Biographie von Nikolaus Coudenhove-Kalergi gilt:

Conze, Vanessa (2004). Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas. Zürich:Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt.

coud Vanessa Conze, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Zeitgeschichte an der Universität Tübingen, befasst sich in ihrer 108 Seiten umfassenden Ausarbeitung, welche in der biographischen Reihe zu Persönlichkeit und Geschichte erschienen ist, vorrangig mit dem tatsächlichen Einfluss der Person Coudenhove-Kalergi auf das europäische Integrationsgeschehen und der Relevanz/Bedeutung seiner Paneuropa Bewegung. Coudenhove-Kalergi gilt als Vordenker und Wegbereiter für das vereinigte Europa und somit nicht nur als geistiger Schöpfer der Paneuropa Bewegung, sondern auch als entscheidender organisatorischer Wegbereiter der europäischen Integration (nach dem zweiten Weltkrieg). Im Verlauf der Literaturrecherche wurden auch andere (wissenschaftliche) Abhandlungen zu Coudenhove-Kalergi analysiert, wobei sich diese in Abhängigkeit der Zugehörigkeit der Autoren vielfach als unreflektierte und unkritische Würdigungen oder Ablehnungen erwiesen haben. Das vorliegende biographische Werk bildet hierbei eine wohltuende Ausnahme, indem es die konstruktiv-kritische Lücke in weiten Teilen zu schließen vermag. Die vorgenommene Fokussierung auf die paneuropäische Aktivität und Anteilnahme wird als berechtigt erachtet, da sich Coudenhove-Kalergi diesem Projekt zeitlebens mit aller Kraft verschrieben hat. Obgleich sich das Werk von Vanessa Conze als Biographie begreift, geht es bewusst über das individuelle Schicksal der Person hinaus und eröffnet dem Leser einen Einblick über das Entstehen der europäischen Gemeinschaft. Deutlich tritt die enge Verknüpfung zwischen dem Wirken der (streitbaren) Persönlichkeit und der Geschichte hervor.

Im einführenden Teil des Werks wird auf die prägenden Kindheits- und Jugendjahre von Coudenhove-Kalergi Bezug genommen. Seine Herkunft und Erziehung, als Sohn eines österreichischen Diplomaten und einer Japanerin, übten eine besondere Rolle für das spätere europäische Engagement aus. Obgleich das Kind einer Asiatin und eines Europäers, so fühlte er sich zeitlebens als Europäer, sah Europa dabei jedoch nicht vom nationalen Standpunkt und von nationalen Interessen geprägt, sondern reklamierte eine ganzheitliche Betrachtung des Kontinents. Durch die Negierung und Unterschätzung der nationalen Interessen und Realitäten erwuchsen vielfach Schwierigkeiten, welche sein gesamtes paneuropäisches Wirken begleiten sollten.

Vor dem Hintergrund des Versagens des Völkerbundes, von dem er sich den „Auftakt zu den Vereinigten Staaten der Welt“ versprach und der aufkeimenden Feindschaft zwischen den europäischen Staaten verfasste Coudenhove-Kalergi 1923 sein Hauptwerk „Paneuropa“, welches ihm zu schlagartiger Bekanntheit verhalf. Das Programm skizzierte in einfachen und doch prägnanten Formulierungen die Idee eines vereinigten Europas, wobei die geschaffene Begrifflichkeit zum Synonym für die europäische Einigungsbewegung avancierte. Angetrieben von der geopolitischen Argumentation, dass Europa in Zukunft durch die aufstrebenden Großmächte in West (USA, GB) und Ost (Sovietunion, Ostasien) zwangsläufig an Bedeutung verlieren wird, sah die Paneuropa Bewegung ein „politisch-wirtschaftliches Zweckbündnis“ als erforderliche Maßnahme an. Dahinter stand der Plan eines europäischen Staatenbundes, welcher jedoch sowohl das englische Empire, als auch die kommunistische Sovietunion (aus systemisch-politischer Abneigung) ausschloss. Aus diesem europäischen Bündnis sollten die „Vereinigten Staaten von Europa“ entwachsen und die verschiedenen nationalstaatlichen Identitäten ersetzen. Die politische Ausgestaltung dieses intentionierten Bundes wurde nur sehr vage formuliert (z.B.: Englisch als Verkehrssprache, 2 politische Kammern, etc.) und Vanessa Conze führt die „Sorglosigkeit in der Formulierung der politischen Ziele“ an und betont nicht nur die Verdienste, sondern auch die Schwierigkeiten bzw. Widersprüche die das Wirken von Coudenhove-Kalergi begleiteten. So suchte er bei den Mächtigen der Zeit (z.B.: Briand, Mussolini, Dollfuß, Churchill, Adenauer, deGaulle, etc.) fortwährend um Unterstützung für seine Pläne und passte die ideelle Ausformung seines „Paneuropa“ bedingungslos nach den Gegebenheiten an. Einerseits bestimmte der visionäre und offene Charakter der Paneuropaidee den Erfolg der Bewegung, andererseits war dadurch das Konzept (laut den Kritikern) von Unbestimmtheit und Inkostanz zersetzt. Die Zielsetzungen und Inhalte wurden primär aus pragmatischer und opportunistischer Berechnung vielfach neu formuliert oder angepasst - in Abhängigkeit der politischen Ziele derjenigen von denen sich Coudenhove-Kalergi Unterstützung für seine Paneuropa Bewegung erhoffte. Die Einordnung „Paneuropas“ in die Geschichte der europäischen Integration wird von der Arbeit Conzes sehr gut gelöst. Als singuläres Werk zum Studium des Wirkens von Coudenhove-Kalergi ist das Buch nur bedingt geeignet, da verschiedene Hintergründe, Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Wandlungen nicht beleuchtet bzw. vorausgesetzt werden. Dies gilt neben den Hauptaussagen zum Werk „Paneuropa“ selbst auch auf historische Zusammenhänge und Verankerungen. Die Konzentration des Werkes auf das Wirken Coudenhove-Kalergis für Paneuropa und die nur spärliche Berücksichtigung anderer gesellschaftspolitischen Aspekte wird nicht als störend empfunden. Gravierender wirken sich formale Unzulänglichkeiten aus, die den Grad der Professionalität schmälern. So stimmen die angegebenen Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis nicht mit den tatsächlichen Seitenzahlen im Text überein. Außerdem zeigt sich der Literaturbericht am Ende des Werkes als nicht aktuell zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und somit als ergänzungswürdig.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Werk dem leitenden Anspruch einer kritischen Darstellung des Einflusses von Coudenhove-Kalergi auf die europäischen Integrationsvorgänge und dem verbundenen Einfluss der Paneuropa Bewegung absolut gerecht wird. Das Werk besticht zudem durch seine klare Sprache - will man jedoch die Zusammenhänge umfassender erfassen, so ist zumeist eine weitere Lektüre erforderlich. Dabei konnte insbesondere die Habilitationsschrift von Anita Ziegenhofer-Prettenthaler als wertvoll klassifiziert werden. Dieses wissenschaftliche Werk ist nicht nur vom Umfang/Inhalt voluminöser, sondern bietet auch eine Fokussierung auf die 1920er und 1930er Jahre (von der Zwischenkriegszeit bis zum Ständestaat). Die Stärken liegen dabei sicherlich in der detailgetreuen und umfassenden Darstellung der organisatorischen Grundlagen „Paneuropas“. Hinsichtlich der ganzheitlichen Erfassung des Werks von Vanessa Conze hat sich zudem das Studium der Primäraussagen bzw. Primärwerke von Coudenhove-Kalergi als hilfreich erwiesen („Paneuropa“, „Ausgewählte Schriften zu Europa“).

Überlegungen zur Präsentationsform

Neben der Analyse der relevanten Literatur und den Tätigkeiten der eigentlichen Ausarbeitung (Gliederung, Struktur, Inhalt, etc.) beschäftigt mich die Form der Präsentation von den Ergebnissen. Eine Einengung hat dahingehend stattgefunden, dass die Präsentation entweder
  • die klassische Form des wissenschaftlichen Aufsatzes annimmt
  • oder eine eigene Webpage zu schaffen
Der traditionelle wissenschaftliche Aufsatz birgt den Vorteil, dass der Aufwand kalkulierbarer ist und sich grundsätzlich auf den Inhalt erstreckt. Für die Etablierung einer Webpage als Darstellungsform sind naturgemäß mehrere infrastrukturelle Rahmenbedingungen und Vorarbeiten zu leisten, welche sich vom eigentlichen Inhalt losgelöst zeigen (webspace, cms, eigener DNS Eintrag, Layout,…). Vom Standpunkt der wesenhaften Eigentümlichkeit (Originalität) tendiere ich zur Webvariante - aus Perspektive und Rücksicht meiner zeitlichen Ressourcen (Rationalität) spricht mich die klassische Variante des wissenschaftlichen Aufsatzes eher an.

Ungeachtet dieser administrativen Überlegungen gilt es die vorhandenen Versäumnisse, welche durch berufliche Notwendigkeiten entstanden sind, mit intensiver Arbeit zu kompensieren. Zu diesem Zweck werden die kommenden Tage exklusiv der Verschriftlichung der geleisteten Vorarbeiten (Gliederung der Arbeit inkl. Begründung, Abstimmungen, etc.) gewidmet, damit sich der vordeterminierte Zeitplan wieder mit dem Arbeitsstand deckungsgleich gestaltet.

Montag, 10. November 2008

...Status zur Findung und Eingrenzung des Themas

Hinsichtlich der Semesterarbeit befinde ich mich immer noch im Vorbereitungsprozess. Insbesondere die Themenwahl – die Fokussierung auf spezifische Aspekte, sowie die Befriedung des Umfangs auf ein rationales Maß – nimmt derzeit den größten Raum ein. Einerseits soll die thematische Behandlung in Bezug auf die Vorgaben und Rahmenbedingungen realisierbar und überblickbar bleiben, andererseits soll ein erwarteter Detailgrad bedient werden.

Um eine Eingrenzung des Themenfeldes zu erzielen bin ich dazu übergegangen etwas näher an die (Primär)Quelle zu rücken. In diesem Kontext interessiert etwa der Bezugsrahmen in welchem Coudenhove-Kalergi und seine Paneuropa Bewegung agierten und entstanden. Welche Standpunkte hat diese streitbare Bewegung und Person vertreten und unter welchen Prämissen und Leitbildern wurde agiert?
Zu diesem Zweck wurden mehrere Rezensionen gelesen, um das Material aus Perspektive der Güte und Treffsicherheit zu identifizieren. Neben dem Buch „Richard Coudenhove-Kalergi. Umstrittener Visionär Europas“ von Vanessa Conze habe ich mir das Werk „Das paneuropäische Verfassungsmodell des Grafen Richard N. Coudenhove-Kalergi“ von Christian Pernhorst beschafft. In Abhängigkeit der gezogenen Erkenntnisse bzw. der verfügbaren Zeit stehen auch noch andere als lesenswert identifizierte Bücher und Journalartikel auf der Arbeitsliste.

Im Zuge der „Verarbeitung“ dieser angeführten übergeordneten Werke erwarte und erhoffe ich mir eine Einengung (Weiterentwicklung) des Themenfeldes um in weiterer Folge auf spezifisches Material überzugehen.

Parallel zu diesen Aktivitäten steht die Grobgliederung des Arbeitsplanes an, wobei der Status hierbei noch als „preliminary draft“ zu bezeichnen ist und derzeit vorwiegend generischen Status besitzt.

Blumenbach (pdf, 270 KB)

Dienstag, 4. November 2008

Themenfindung der Semesterarbeit

Den Ausgangspunkt meiner Semesterarbeit stellt ein Beitrag mit der Titulierung „Europas Grenzen“ dar, welcher auf der Schrift „Paneuropa“ von Richard Nicoloas Graf Coudenhove Kalergi (1923) beruht bzw. in starker Wechselwirkung dazu steht. Die Abhandlung befasst sich thematisch mit der sehr alten Frage nach den Grenzen Europas, welcher Coudenhove-Kalergi als Initiator der Paneuropa-Union zeitlebens sehr nahe stand. Die Paneuropa-Union wurde unter dem nachhaltigen Eindruck des Ersten Weltkriegs im Jahr 1922 gegründet und trat für ein wirtschaftlich und politisch geeintes Europa ein, welches auf demokratischen und christlich-abendländlichen Werten ruhen sollte. Rückblickend werden diese Bestrebungen vielfach als ideologische Wegbereitung zur europäischen Union erachtet.

Im Unterschied zu anderen Geopolitikern, wie Karl Haushofer oder Zbigniew Brzezinski, betrachtete Coudenhove-Kalergi Europa dabei nicht als geographische Einheit:

„Geographisch gibt es keinen europäischen Kontinent. Es gibt nur eine europäische Halbinsel des eurasischen Kontinents.“


Nach Coudenhove-Kalergi erringt das geografische Konstrukt Europas weder mit dem kulturellen noch mit dem politischen Begriff Europas eine Form der Deckungsgleichheit.

In der vorliegenden Arbeitsgrundlage wird intensiver Bezug auf die historischen Grenzen von Europa genommen. Dabei unterscheidet der Autor sechs Phasen (Altes Griechenland, Rom, Völkerwanderung, Papsttum zur Zeit von Innozenz III., Aufklärung und den Paneuropäischen Staatenbund).

Mehrheitlich entsprechen die Sichtweisen und Forderungen aus Coudenhove-Kalergis „Paneuropa“ bis heute den Grundüberzeugungen von Europabefürwortern. Doch damals wie heute stellen Ansichten zu den geographischen und politischen Grenzziehungen bzw. kulturellen Abgrenzungen den Nährboden für Kontroversen dar. Coudenhove-Kalergi spricht ausdrücklich von der Kulturmission, zu der die Europäer berufen seien und forderte in diesem Kontext, dass sich die Europäer gegen die Einflussnahme außereuropäischer Mächte schützen sollten.

„Das sechste Europa reicht soweit [nach Osten] wie das demokratische System“

– an diesen abschließenden Worten knüpft mein Forschungsinteresse an. Die Frage nach den Grenzen und der Erweiterung der „Europäischen Union – des sechsten Europas“ ist mit zeitunmittelbarer Relevanz gesegnet. Aus diesem Grund besteht meine Interesse in der vieldiskutierten Frage, ob eine Aufnahme der Türkei in die europäische Staatengemeinschaft anzustreben ist bzw. als zielführend zu erachten ist. Bekanntlich ist die Zugehörigkeit dieses Landes zu Europa weder geographisch, noch politisch oder kulturell unumstritten. Kritiker führen hierbei vielfach die skizzierten Rahmenbedingungen ins Feld, dass die Türkei durch ihre 97%-ige Zugehörigkeit zu Asien, den semi-demokratischen Strukturen und der Zugehörigkeit zum arabisch-osmanischen Kultur- und Wertekreis einen unvereinbaren Widerspruch mit den europäischen Aufnahmekriterien bildet.

Meine weitere Vorgangsweise konzentriert sich auf die Identifikation und die Fokussierung auf eine forschungsleitende Fragestellung. Als initiale Aktivität wurde eine digitale Mindmap erstellt, welche sukzessive erweitert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst wird. Zusätzlich werde ich mir eine bestehende E-Learning Plattform (Mahara) für diese Semesterarbeit nutzbar machen. Die anfängliche Systematisierung des Themenfelds erfährt dabei keinen umfassenden Charakter, sondern konstituiert den Ausgangspunkt für die anstehende Literaturrecherche. Um die Zusammenhänge besser erfassen zu können stellt die Identifikation und Analyse spezifischer Fachliteratur (Fachbücher, Journalartikel, etc.) den nächsten wesentlichen Schritt dar.

Europaeische-Geschichte-Coudenhove (pdf, 245 KB)

Dienstag, 28. Oktober 2008

Was mach wissenschaftliches Arbeiten (den wissenschaftlichen Aufsatz) aus

Will man den Terminus Wissenschaft charakterisieren, so lässt sich dies generisch vornehmen indem Wissenschaft als aktiver Prozess aufgefasst wird welcher Wissen schafft. Wissenschaft ist jedoch nicht durch lineare oder vordeterminierte Aktivitäten gekennzeichnet. Vielmehr stellt Wissenschaft ein komplexes Konstrukt dar, welches sich aus zahlreichen interagierenden Teilaspekten konstituiert und über mehrere Gebiete erstreckt.

Unabhängig von der inhaltlichen Fachorientierung stellt Wissenschaft immer eine zutiefst soziale Tätigkeit dar. Die schöpferische Genialität Einzelner, die sich durch die Superiorität ihres Geistes von der Mittelmäßigkeit ihrer Umwelt abhebt, ist in einer isolierten Umgebung nicht in der Lage ihr Potenzial zu entfalten. Wissenschaftler agieren daher nicht für sich allein, sondern für und in der Gemeinschaft mit anderen (Forschern). Sie tun dies stets innerhalb einer historisch gewachsenen Umgebung von Institutionen oder Schulen, indem sie (gesellschaftlich) relevante Probleme aufgreifen. In diesem übergeordneten Bezugsrahmen des forschenden Wirkens für und in der Gemeinschaft wird der Dokumentation und Distribution der wissenschaftlichen Arbeit zentrale Bedeutsamkeit zuteil. Die wissenschaftliche Arbeit dient dazu, die Ergebnisse anderen Personen zugänglich zu machen und ein hohes Niveau an Intersubjektivität - oder Objektivität, um sich bei der bevorzugten Begrifflichkeit der quantitativ orientierten Naturwissenschaften zu bedienen - zu gewährleisten. Die Form der Darstellung ist dabei an bestimmte Konventionen gebunden, welche den Leser dazu ermächtigen sollen die Annahmen, Methoden, Fakten, Beweise und Schlussfolgerungen des Autors zu verstehen. Die Einhaltung dieser formalen Standards sind für den „ordnungsgemäßen Betrieb“ innerhalb der „Scientific Community“ akzeptierte Voraussetzungen. Eine wesentliche systematische und strukturierte vertextete Kommunikationsform stellt dabei der wissenschaftliche Aufsatz dar. Der publizierte Text erfüllt dabei zumeist nicht nur die unidirektionale Intention Wissen zu transportieren, sondern dient auch der Vernetzung und Interaktion mit anderen Ergebnissen und Teilnehmern der „Scientific Community“. Erst durch die Eingliederung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse in die wissenschaftliche Gemeinschaft wird das Wissen „öffentlich“ gemacht und kann als Ausgangspunkt für andere Forscher dienen. Die Publikation stellt somit den Eckpfeiler der Wissenschaft dar, auf welche andere Wissenschaftler unter Einhaltung der Zitierregeln aufbauen können. Im Unterschied zum Essay gelten beim wissenschaftlichen Aufsatz besondere Sorgfaltspflichten, welche sich unter dem Begriff der „guten wissenschaftlichen Praxis“ subsummieren lassen. So ist eine exakte Bestimmung des Datenmaterials fakultativ und die Quellen müssen homogen, korrekt und vollständig angeführt werden. Insbesondere empirische Forschungsergebnisse bedürfen einer besonderen Sorgfalt. Die exakte Dokumentation der Vorgehensweise und die Offenlegung der methodischen Details stellen hierbei obligatorische Maßnahmen dar.

Wissenschaftliche Arbeiten haben sich zweifelsfrei an bestimmte formale Anforderungen auszurichten, jedoch sollte sich kein dogmatischer Gehorsam verfestigen, welcher orthodox an Form und Methodenzwängen festhält und den Inhalt in seiner Wertigkeit dadurch reduziert.

Freitag, 17. Oktober 2008

Wiederholt sich Geschichte - Eine reflexive Beschäftigung mit dem Essay von Arnold J. Toynbee

Im vorliegenden Essay von Arnold J. Toynbee wird die übergeordnete geschichtsphilosophische Frage erörtert, bis zu welchem Grad Geschichte einen revolvierenden Charakter besitzt. Die Analyse, ob es sich hierbei primär um obligatorische (Geschichte muss sich wiederholen) oder fakultative (Geschichte kann sich wiederholen) Muster handelt eröffnet notwendigerweise ein assoziiertes Diskussionsfeld - Verläuft die Geschichte progressiv, d.h. findet eine zielstrebige Genese zum Besseren statt oder dominieren auf umgekehrte Weise rezessive Verläufe. Kann die Menschheit aus der Geschichte lernen und daraus Tendenzen, Schlüsse oder gar Handlungsanleitungen extrahieren, oder wird uns auf Grund der Komplexität des Ganzen nur die Möglichkeit der Einsicht offeriert, dass es diffizil bzw. unmöglich ist aus der Geschichte zu lernen.

Zu diesen Problemstellungen finden sich in der Geschichtsphilosophie mannigfaltige Denkstile und Schulen, welche in Abhängigkeit ihres sozialen, politischen und kulturellen Umfelds verschiedene Standpunkte argumentativ ins Feld führen. Wesentliche griechische Denker, wie Plato und sein Schüler Aristoteles taxierten den Mehr- und Lernwert der Geschichte als kläglich, da in deren Auffassung die Geschichte ein strukturloses Gemisch von Zufälligkeiten kennzeichnet.

Die großen Weltreligionen erfassten das Thema mehrheitlich, indem Geschichte im Wechselspiel zwischen göttlicher Verheißung und Erfüllung bzw. menschlicher Befolgung erklärt wird. Geschichte wird dabei der menschlichen Vernunft zunehmend entzogen und die Handlungsfreiheit abgesprochen. Geschichte als Fatum nimmt vor allem in christlichen, jüdischen und islamischen (Kismet) Religionsphilosophien eine zentrale Stellung ein. Betrachtet man die Geschichtsauffassung der „jüngeren“ Vergangenheit und greift dabei die Epoche der „Aufklärung“ auf, so ist in jener Zeit ein Paradigmenwechsel wahrnehmbar. Den Leitgedanken der Aufklärung: Den Mut aufzubringen sich seinen eigenen Verstand dienstbar zu machen und aus der Unmündigkeit herauszutreten hatte gravierende Auswirkungen auf das geschichtsphilosophische Verständnis. Das Leben und die Geschichte wurde nicht mehr ausschließlich als „eindeutig vordeterminiert“, im Sinne einer leitenden unsichtbaren (göttlichen) Hand gesehen - sondern der Mensch wurde für sein Tun verantwortlich gemacht und ermächtigt aus seinem vergangenen Handeln Schlüsse zu ziehen. Hinsichtlich der „Progressivität“ oder „Rezessivität“ schreibt Nietzsche der Geschichte wiederkehrenden Charakter zu, jedoch spricht er der fortschreitenden Zeit eine inhärent positive Eigenschaft ab.

Eingehend befasste sich auch Hegel mit Geschichtsphilosophie, wobei nach seinen Geboten die einzige Konstante der Geschichte deren Wandel und Veränderung darstellt. Obgleich der stetige Umbruch, häufig mit dem Untergang blühender und mächtiger Kulturen synchronisiert ist, so bringt die Geschichte, wie Phönix aus der Asche, neue tragfähige Hochkulturen hervor.

Nach meiner Auffassung stellt der konjunkturelle Standpunkt der Geschichte, welcher aus wechselwirkenden progressiven und rezessiven Abschnitten besteht, ein substanziiertes Erklärungsmodell dar. Geschichte wiederholt sich nicht vollständig und jede Situation ist auf Grund ihrer nahezu unendlichen Konstellationsvielfalt einmalig. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass sich Analogien herauslösen lassen. Hierzu passend das bekannte Gleichnis von Heraklit, welches besagt, dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann. Das Wasser strömt nach, es nimmt in Abhängigkeit der umgebenden Parameter und der Rahmenbedingungen divergente Zustände und Eigenschaften an. Die (empirische) Erfahrung lehrt und unterstützt zwar bei der Orientierung und die Geschichte ermöglicht und katalysiert die Meinungs- und Entscheidungsfindung - Trotzdem ist jede Situation durch ihre Einmaligkeit gekennzeichnet. Die Geschichte ermöglicht die Erinnerung über Generationen hinweg und schärft die Urteilskraft für gegenwärtige und zukünftige Ereignisse.

Obgleich sich bestimmte Muster auf den ersten Blick ähneln, so denke ich nicht, dass sich die Geschichte durch stringent lineare Grundzüge manifestiert. In diesem Aspekt stimme ich mit Karl Popper überein, der den Historizismus und dessen geschichtliche Zwangsläufigkeit ablehnt („Das Elend des Historizismus“). Die Geschichte unterliegt keinen Gesetzen taxativer Natur und deshalb ist es unmöglich den zukünftigen Entwicklungsverlauf dediziert zu bestimmen. Popper führte dabei die Unmöglichkeit der Voraussagen primär auf die Zunahme des menschlichen Wissens zurück - die (Weiter)Entwicklung steht somit per se im Widerspruch mit einer allfälligen Linearität der Geschichte.

Nicht alle Aspekte des Essays von Arnold J. Toynbee erlangen meine ungeteilte Zustimmung, jedoch herrscht Konformität in der zentralen Auffassung, dass es dem Menschen freigestellt ist und er prinzipiell dazu befähigt gilt sein Zukunft selbst zu gestalten.

Kultur-am-Scheideweg-Wiederholt-sich-Geschichte (pdf, 863 KB)

Exkurs: Der Essay - Eine befruchtende Stilform der wissenschafltichen Verschriftlichung?

Die literarische Form des Essays unterscheidet sich in mehreren Aspekten zu anderen verschriftlichten wissenschaftlichen Darstellungsformen. Abhandlungen, wie Journalartikel, Traktate, aber auch universitäre Abschlussarbeiten unterliegen in der Regel einer strengen Sachlichkeit. Gestützt auf zementierten und wohl dokumentierten Methoden werden Hypothesen und Sachverhalte objektiv untersucht. Die Objektivität wird dabei häufig als Ideal der wissenschaftlichen Arbeit betrachtet und als Grundbedingnis für eine umfassende, systematische und erschöpfende Näherung des jeweiligen Bereichs angesehen.

Der Essay wiederum zeichnet sich durch inhärent subjektiven Charakter aus und unterliegt keinem in Stein gemeißelten Methodenzwang. Er ermöglicht eine Kontaktaufnahme mit dem Thema, welche nicht vordeterminiert ist. Obgleich Argumente und Gedanken nicht losgelöst vom jeweiligen, Zusammenhang oder Ursprung dargebracht werden, so nehmen etwa exakte Grundregeln des wissenschaftlichen Arbeitens, wie Zitate, Verweise, etc., vielfach eine untergeordnete Rolle ein. Die unbefangene Auseinandersetzung mit dem Gegenstand steht im Vordergrund und eine Betrachtungsweise, welche sich bewusst aus unterschiedlichen Blickwinkeln, konstituiert. Der Essay bietet somit den Vorteil, sich auf nicht apodiktische Weise dem Thema zu bemächtigen. Diese strategische Annäherung soll eine geistige Wachheit gewährleisten.

Trotz, oder gerade wegen der subjektiven Betonung, erfüllt der Essays die Kriterien der wissenschaftlichen Verschriftlichung. Die Stilform des Essays ist nur sehr lose an die etablierten wissenschaftlichen „Regeln“ und „Usancen“ gebunden. Trotzdem erachte ich die Stilform des Essays als wertvolles Werkzeug, um einen Sachverhalt knapp und prägnant zu erschließen.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Masterstudiengang "Public History" - Powerpoint-Profis mit Kurzzeitgedächtnis oder Experten für "öffentliche" Geschichte

Der Terminus „Public History“ stammt aus dem anglikanischen Kreis und erhebt den generischen Anspruch die Auseinandersetzung mit geschichtlichen Zusammenhängen in der Öffentlichkeit zu katalysieren. Die Bewegung nahm ihren Ursprung in den USA der 1970er Jahren und sollte Historiker die Möglichkeit offerieren, sich an nicht-akademische Zielgruppen zu wenden. Im Gegensatz zum europäischen (deutschen) Raum finden sich an zahlreichen US-amerikanischen und australischen Universitäten Studiengänge, die das Thema „Public History“ behandeln. Eine besonders eidetische Definition zur Begrifflichkeit findet sich dabei im Rahmen des Graduate Programs der New York University:

"Public History is history that is seen, heard, read, and interpreted by a popular audience. Public historians expand on the methods of academic history by emphasizing non-traditional evidence and presentation formats, reframing questions, and in the process creating a distinctive historical practice....Public history is also history that belongs to the public. By emphasizing the public context of scholarship, public history trains historians to transform their research to reach audiences outside the academy."

Um den gesteigerten Bedarf im deutschspracheigen Raum gerecht zu werden wurde an der Freien Universität Berlin (in Kooperation mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)) der Masterstudiengangs „Public History“ im Wintersemester 2008/09 eingerichtet. Verfolgt man das Curriculum, so konzentrieren sich die intentionierten Schwerpunkte auf theoretische und methodische Geschichtswahrnehmungen, Erinnerungskulturen und Deutungskonkurrenzen. Die Bewegung der „Public History“ steht dabei in mancher Hinsicht in Opposition/Gegensatz zu etablierten Ansätzen in der Geschichtswissenschaft, indem alternative und angewandte Zugänge zur Geschichte in der Öffentlichkeit betont werden. Mit der Etablierung eines Masterstudienganges „Public History“ wird versucht den geschichtswissenschaftlichen Bedürfnissen des Marktes gerecht zu werden, wobei insbesondere traditionelle Darstellungsformen der Geschichtswissenschaft aufgebrochen werden. Computerunterstützte Erforschung und Vermittlung von Geschichte, gepaart mit zeitgemäßen Instrumenten der medialen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit stellen hierbei das „Rüstzeug“ für den „Public Historian“ dar.

In der eigenen Wahrnehmung erhebt die Ausbildung zum „Public Historian“ dabei den übergeordneten Anspruch, professionelle Historiker auszubilden, welche mit den wissenschaftlichen Methodologien und Methoden - sozusagen den Usancen der geisteswissenschaftlichen Forschung - vertraut sind.

An dieser Stelle hakt die Kritik von Kaspar Renner im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung ein, da nach seiner Überzeugung die fachwissenschaftliche Qualifikation durch den Aufbau des Curriculums keineswegs als gesichert gilt. In diesem Kontext werden insbesondere die fehlenden Kernkompetenzen der Recherche und der Quellenkritik in das Feld geführt und der Befürchtung Nachdruck verliehen, dass die Abgänger des Studiums zwar medien- und kommunikationstechnisch bestens geschult sein werden, aber keine fundierten geschichtswissenschaftlichen Schlüssellqualifikationen vorweisen können.

Aus meiner Perspektive entbehrt die Skepsis des Autors, in Bezug auf die potentielle Vernachlässigung der angeführten „Schlüsselqualifikationen“, nicht einer gewissen Substanz. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die „Entwickler“ des Programms sehr wohl auf Vermittlung und Anwendung etablierter Methoden und Qualifikationen pochen und diese Aspekte, nach meiner Empfindung, durch die bewusste Betonung der „angewandten Schwerpunkte“ lediglich beschnitten erscheinen. Undurchsichtiger, respektive bedenklicher, gestaltet sich für mich, dass der Autor einen „objektiven Wahrheitsbegriff“ mit der Begrifflichkeit der Quellenkritik in Bezug setzt. Dieser Ansatz, welcher den absoluten Wahrheitsbegriff für die traditionellen Methoden und Ansätze requiriert, nährt lediglich jene Stimmen, welche eine Monopolisierung durch die etablierten Systeme kritisieren. „Public Historians“, als moderne Vertreter der Geschichtswissenschaft haben vielmher das Potential durch die Applikation neuer Strategien und Handlungsmuster, als angewandte und konkrete Geschichtsvermittler eine Lücke (im öffentlichen Bedarf) zu schließen.

Public-History-Master (pdf, 102 KB)
Sueddeutsche-Zeitung-Nr231-Seite-16-des-Feuilletons (pdf, 750 KB)

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