Masterstudiengang "Public History" - Powerpoint-Profis mit Kurzzeitgedächtnis oder Experten für "öffentliche" Geschichte

Der Terminus „Public History“ stammt aus dem anglikanischen Kreis und erhebt den generischen Anspruch die Auseinandersetzung mit geschichtlichen Zusammenhängen in der Öffentlichkeit zu katalysieren. Die Bewegung nahm ihren Ursprung in den USA der 1970er Jahren und sollte Historiker die Möglichkeit offerieren, sich an nicht-akademische Zielgruppen zu wenden. Im Gegensatz zum europäischen (deutschen) Raum finden sich an zahlreichen US-amerikanischen und australischen Universitäten Studiengänge, die das Thema „Public History“ behandeln. Eine besonders eidetische Definition zur Begrifflichkeit findet sich dabei im Rahmen des Graduate Programs der New York University:

"Public History is history that is seen, heard, read, and interpreted by a popular audience. Public historians expand on the methods of academic history by emphasizing non-traditional evidence and presentation formats, reframing questions, and in the process creating a distinctive historical practice....Public history is also history that belongs to the public. By emphasizing the public context of scholarship, public history trains historians to transform their research to reach audiences outside the academy."

Um den gesteigerten Bedarf im deutschspracheigen Raum gerecht zu werden wurde an der Freien Universität Berlin (in Kooperation mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)) der Masterstudiengangs „Public History“ im Wintersemester 2008/09 eingerichtet. Verfolgt man das Curriculum, so konzentrieren sich die intentionierten Schwerpunkte auf theoretische und methodische Geschichtswahrnehmungen, Erinnerungskulturen und Deutungskonkurrenzen. Die Bewegung der „Public History“ steht dabei in mancher Hinsicht in Opposition/Gegensatz zu etablierten Ansätzen in der Geschichtswissenschaft, indem alternative und angewandte Zugänge zur Geschichte in der Öffentlichkeit betont werden. Mit der Etablierung eines Masterstudienganges „Public History“ wird versucht den geschichtswissenschaftlichen Bedürfnissen des Marktes gerecht zu werden, wobei insbesondere traditionelle Darstellungsformen der Geschichtswissenschaft aufgebrochen werden. Computerunterstützte Erforschung und Vermittlung von Geschichte, gepaart mit zeitgemäßen Instrumenten der medialen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit stellen hierbei das „Rüstzeug“ für den „Public Historian“ dar.

In der eigenen Wahrnehmung erhebt die Ausbildung zum „Public Historian“ dabei den übergeordneten Anspruch, professionelle Historiker auszubilden, welche mit den wissenschaftlichen Methodologien und Methoden - sozusagen den Usancen der geisteswissenschaftlichen Forschung - vertraut sind.

An dieser Stelle hakt die Kritik von Kaspar Renner im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung ein, da nach seiner Überzeugung die fachwissenschaftliche Qualifikation durch den Aufbau des Curriculums keineswegs als gesichert gilt. In diesem Kontext werden insbesondere die fehlenden Kernkompetenzen der Recherche und der Quellenkritik in das Feld geführt und der Befürchtung Nachdruck verliehen, dass die Abgänger des Studiums zwar medien- und kommunikationstechnisch bestens geschult sein werden, aber keine fundierten geschichtswissenschaftlichen Schlüssellqualifikationen vorweisen können.

Aus meiner Perspektive entbehrt die Skepsis des Autors, in Bezug auf die potentielle Vernachlässigung der angeführten „Schlüsselqualifikationen“, nicht einer gewissen Substanz. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die „Entwickler“ des Programms sehr wohl auf Vermittlung und Anwendung etablierter Methoden und Qualifikationen pochen und diese Aspekte, nach meiner Empfindung, durch die bewusste Betonung der „angewandten Schwerpunkte“ lediglich beschnitten erscheinen. Undurchsichtiger, respektive bedenklicher, gestaltet sich für mich, dass der Autor einen „objektiven Wahrheitsbegriff“ mit der Begrifflichkeit der Quellenkritik in Bezug setzt. Dieser Ansatz, welcher den absoluten Wahrheitsbegriff für die traditionellen Methoden und Ansätze requiriert, nährt lediglich jene Stimmen, welche eine Monopolisierung durch die etablierten Systeme kritisieren. „Public Historians“, als moderne Vertreter der Geschichtswissenschaft haben vielmher das Potential durch die Applikation neuer Strategien und Handlungsmuster, als angewandte und konkrete Geschichtsvermittler eine Lücke (im öffentlichen Bedarf) zu schließen.

Public-History-Master (pdf, 102 KB)
Sueddeutsche-Zeitung-Nr231-Seite-16-des-Feuilletons (pdf, 750 KB)

Blog von Andreas Hager

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