Rezension - Conze, Vanessa: Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas, Zürich: Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt - 2004

Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit zum Thema „Europas Grenzen - Coudenhove-Kalergi, Paneuropa“ bildete das Studium und die Analyse der nachstehenden Literatur die Basis meiner Ausarbeitungen:
  • Conze, Vanessa (2004). Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas. Zürich:Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt.
  • Ziegenhofer-Prettenthaler, Anita (2004). Botschafter Europas: Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien:Böhlau.
  • Coudenvove-Kalergi, Richard Nikolaus (2006). Ausgewählte Schriften zu Europa. Wien:Neuer Wissenschaftlicher Verlag.
  • Kirchhof, Paul; Schäfer, Hermann & Tietmeyer, Hans (1993). Europa als politische Idee und als rechtliche Form. Duncker & Humblot.
  • Verschieden Ausgaben der Zeitschrift Paneuropa und zahlreiche Artikel aus Fachzeitschriften und Journalen
Hinsichtlich der Literaturrezension habe ich das Buch von Vanessa Conze gewählt, welches sich auf kritische Weise mit den Beiträgen von Coudenhove-Kalergi auseinandersetzt und als erste substantiierte wissenschaftliche Biographie von Nikolaus Coudenhove-Kalergi gilt:

Conze, Vanessa (2004). Richard Coudenhove-Kalergi: Umstrittener Visionär Europas. Zürich:Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt.

coud Vanessa Conze, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Zeitgeschichte an der Universität Tübingen, befasst sich in ihrer 108 Seiten umfassenden Ausarbeitung, welche in der biographischen Reihe zu Persönlichkeit und Geschichte erschienen ist, vorrangig mit dem tatsächlichen Einfluss der Person Coudenhove-Kalergi auf das europäische Integrationsgeschehen und der Relevanz/Bedeutung seiner Paneuropa Bewegung. Coudenhove-Kalergi gilt als Vordenker und Wegbereiter für das vereinigte Europa und somit nicht nur als geistiger Schöpfer der Paneuropa Bewegung, sondern auch als entscheidender organisatorischer Wegbereiter der europäischen Integration (nach dem zweiten Weltkrieg). Im Verlauf der Literaturrecherche wurden auch andere (wissenschaftliche) Abhandlungen zu Coudenhove-Kalergi analysiert, wobei sich diese in Abhängigkeit der Zugehörigkeit der Autoren vielfach als unreflektierte und unkritische Würdigungen oder Ablehnungen erwiesen haben. Das vorliegende biographische Werk bildet hierbei eine wohltuende Ausnahme, indem es die konstruktiv-kritische Lücke in weiten Teilen zu schließen vermag. Die vorgenommene Fokussierung auf die paneuropäische Aktivität und Anteilnahme wird als berechtigt erachtet, da sich Coudenhove-Kalergi diesem Projekt zeitlebens mit aller Kraft verschrieben hat. Obgleich sich das Werk von Vanessa Conze als Biographie begreift, geht es bewusst über das individuelle Schicksal der Person hinaus und eröffnet dem Leser einen Einblick über das Entstehen der europäischen Gemeinschaft. Deutlich tritt die enge Verknüpfung zwischen dem Wirken der (streitbaren) Persönlichkeit und der Geschichte hervor.

Im einführenden Teil des Werks wird auf die prägenden Kindheits- und Jugendjahre von Coudenhove-Kalergi Bezug genommen. Seine Herkunft und Erziehung, als Sohn eines österreichischen Diplomaten und einer Japanerin, übten eine besondere Rolle für das spätere europäische Engagement aus. Obgleich das Kind einer Asiatin und eines Europäers, so fühlte er sich zeitlebens als Europäer, sah Europa dabei jedoch nicht vom nationalen Standpunkt und von nationalen Interessen geprägt, sondern reklamierte eine ganzheitliche Betrachtung des Kontinents. Durch die Negierung und Unterschätzung der nationalen Interessen und Realitäten erwuchsen vielfach Schwierigkeiten, welche sein gesamtes paneuropäisches Wirken begleiten sollten.

Vor dem Hintergrund des Versagens des Völkerbundes, von dem er sich den „Auftakt zu den Vereinigten Staaten der Welt“ versprach und der aufkeimenden Feindschaft zwischen den europäischen Staaten verfasste Coudenhove-Kalergi 1923 sein Hauptwerk „Paneuropa“, welches ihm zu schlagartiger Bekanntheit verhalf. Das Programm skizzierte in einfachen und doch prägnanten Formulierungen die Idee eines vereinigten Europas, wobei die geschaffene Begrifflichkeit zum Synonym für die europäische Einigungsbewegung avancierte. Angetrieben von der geopolitischen Argumentation, dass Europa in Zukunft durch die aufstrebenden Großmächte in West (USA, GB) und Ost (Sovietunion, Ostasien) zwangsläufig an Bedeutung verlieren wird, sah die Paneuropa Bewegung ein „politisch-wirtschaftliches Zweckbündnis“ als erforderliche Maßnahme an. Dahinter stand der Plan eines europäischen Staatenbundes, welcher jedoch sowohl das englische Empire, als auch die kommunistische Sovietunion (aus systemisch-politischer Abneigung) ausschloss. Aus diesem europäischen Bündnis sollten die „Vereinigten Staaten von Europa“ entwachsen und die verschiedenen nationalstaatlichen Identitäten ersetzen. Die politische Ausgestaltung dieses intentionierten Bundes wurde nur sehr vage formuliert (z.B.: Englisch als Verkehrssprache, 2 politische Kammern, etc.) und Vanessa Conze führt die „Sorglosigkeit in der Formulierung der politischen Ziele“ an und betont nicht nur die Verdienste, sondern auch die Schwierigkeiten bzw. Widersprüche die das Wirken von Coudenhove-Kalergi begleiteten. So suchte er bei den Mächtigen der Zeit (z.B.: Briand, Mussolini, Dollfuß, Churchill, Adenauer, deGaulle, etc.) fortwährend um Unterstützung für seine Pläne und passte die ideelle Ausformung seines „Paneuropa“ bedingungslos nach den Gegebenheiten an. Einerseits bestimmte der visionäre und offene Charakter der Paneuropaidee den Erfolg der Bewegung, andererseits war dadurch das Konzept (laut den Kritikern) von Unbestimmtheit und Inkostanz zersetzt. Die Zielsetzungen und Inhalte wurden primär aus pragmatischer und opportunistischer Berechnung vielfach neu formuliert oder angepasst - in Abhängigkeit der politischen Ziele derjenigen von denen sich Coudenhove-Kalergi Unterstützung für seine Paneuropa Bewegung erhoffte. Die Einordnung „Paneuropas“ in die Geschichte der europäischen Integration wird von der Arbeit Conzes sehr gut gelöst. Als singuläres Werk zum Studium des Wirkens von Coudenhove-Kalergi ist das Buch nur bedingt geeignet, da verschiedene Hintergründe, Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Wandlungen nicht beleuchtet bzw. vorausgesetzt werden. Dies gilt neben den Hauptaussagen zum Werk „Paneuropa“ selbst auch auf historische Zusammenhänge und Verankerungen. Die Konzentration des Werkes auf das Wirken Coudenhove-Kalergis für Paneuropa und die nur spärliche Berücksichtigung anderer gesellschaftspolitischen Aspekte wird nicht als störend empfunden. Gravierender wirken sich formale Unzulänglichkeiten aus, die den Grad der Professionalität schmälern. So stimmen die angegebenen Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis nicht mit den tatsächlichen Seitenzahlen im Text überein. Außerdem zeigt sich der Literaturbericht am Ende des Werkes als nicht aktuell zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und somit als ergänzungswürdig.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Werk dem leitenden Anspruch einer kritischen Darstellung des Einflusses von Coudenhove-Kalergi auf die europäischen Integrationsvorgänge und dem verbundenen Einfluss der Paneuropa Bewegung absolut gerecht wird. Das Werk besticht zudem durch seine klare Sprache - will man jedoch die Zusammenhänge umfassender erfassen, so ist zumeist eine weitere Lektüre erforderlich. Dabei konnte insbesondere die Habilitationsschrift von Anita Ziegenhofer-Prettenthaler als wertvoll klassifiziert werden. Dieses wissenschaftliche Werk ist nicht nur vom Umfang/Inhalt voluminöser, sondern bietet auch eine Fokussierung auf die 1920er und 1930er Jahre (von der Zwischenkriegszeit bis zum Ständestaat). Die Stärken liegen dabei sicherlich in der detailgetreuen und umfassenden Darstellung der organisatorischen Grundlagen „Paneuropas“. Hinsichtlich der ganzheitlichen Erfassung des Werks von Vanessa Conze hat sich zudem das Studium der Primäraussagen bzw. Primärwerke von Coudenhove-Kalergi als hilfreich erwiesen („Paneuropa“, „Ausgewählte Schriften zu Europa“).
Schmale - 10. Dez, 14:32

Schmale

Ein Schritt weiter; gut! Rezension ist im großen und ganzen gut gelungen. Unklar ist, warum Sie dieses Buch nicht in der Liste führen, die Basis Ihrer Arbeit ist, es aber besprechen. Die Aufgabenstellung lautete, ein für Ihre Arbeit zentrales Buch zu rezensieren.

Andreas Hager - 10. Dez, 16:47

Anführung des Buches

Das Buch zählt wohl zu den zentralen Werken der Arbeit, wurde jedoch im Register - aus Perspektive der Redundanzvermeidung - nicht explizit aufgeführt.

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Das Buch zählt wohl zu den zentralen Werken der Arbeit,...
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